Mittwoch, 8. Juli 2015

Nachruf auf den Mond



Story:
»Ich werde Ihnen erzählen, was passiert ist, denn bei der Gelegenheit kann ich Ihnen meinen Bruder vorstellen. Er heißt Simon. Ich glaube, Sie werden ihn mögen. Wirklich. Doch in ein paar Seiten wird er tot sein. Danach war er nie mehr derselbe.«

Matthew Homes ist ein begnadeter Erzähler, und Patient der Psychiatrischen Klinik in Bristol. Um dort dem trostlosen Alltag zu entfliehen, schreibt er seine Geschichte auf - und die seines Bruders Simon, der im Alter von elf Jahren während des Campingurlaubs in Cornwall starb. Selbst nach zehn Jahren gibt sich Matthew immer noch die Schuld am Unfalltod seines Bruders. Doch eigentlich ist Simon für ihn gar nicht tot - und Matthew auch kein gewöhnlicher 19-Jähriger. Matthew leidet an Schizophrenie …

Meinung:
Die Geschichte beginnt mit einem Campingurlaub der Familie Homes im englischen Cornwall, als der neunjährige Matthew ein Mädchen beobachtet, wie es eine Puppe begräbt. Bald darauf stirbt Matthews Bruder Simon und plötzlich ist alles anders.

In der Ich-Perspektive schildert der Junge seine Erfahrungen in den nächsten Tagen und Wochen nach dessen Bruders Tod. Er berichtet von seiner Mutter, welche ihn zu Hause unterrichtet, übervorsichtig ist und vor allem mit dem Nerven am Ende ist. Ausflüge zu seinen Großeltern sind für Matthew in dieser ersten Zeit eine willkommene Abwechslung, dennoch ist der gewohnte Ablauf in der Familie nicht mehr derselbe, wofür sich der Junge die Schuld gibt.

Die Geschichte wird als Art Tagebuch präsentiert, welche sich auch im Erscheinungsbild des Buches bemerkbar macht. Matthew verfasst einige Einträge mittels Schreibmaschine und andere auf einem PC in der Southdown Klinik in Bristol. Er ist in der dortigen Psychiatrie aufgenommen. Bei ihm wurde Schizophrenie diagnostiziert, überall sieht er seinen Bruder Simon und dessen Mondgesicht. Matthew bezeichnet es so, da sein älterer Bruder das Downsyndrom hatte. Egal ob es nun die Wolken sind, die Blätter im Park oder in Träumen. Der verstorbene Bruder ist immer gegenwärtig und leitet Matthews Handlungen. Ob es nun die Verwirklichung eines vergeblichen Wunsches, eine Ameisenfarm, ist oder eine Reise zurück an dem Ort des Geschehens, der kleine Simon ist immer in Matthews Kopf.

Durch die Zeit- und Handlungssprünge in Matthews Erzählungen wird Spannung aufgebaut und die Neugierde bei der Leserschaft erweckt. Obwohl man schon zu Beginn weiß, dass Simon gestorben ist und davor noch eine für ihn außergewöhnliche Leistung erbracht hatte, bleiben die genauen Todesumstände noch lange im Unklaren. Auch wirkt zwar Matthew in seinen Erzählungen meist klar und strukturiert, um später zu erfahren, dass sein bisheriges Leben chaotisch und von Kummer geprägt war.

Dem ursprünglichen Krankenpfleger auf der psychiatrischen Station im Bristoler Krankenhaus, Nathan Filer, ist mit seinem Debütroman ein berührendes Werk gelungen. Auch wenn es vielleicht den Anschein machen könnte, dass es die Familie Homes besonders hart "getroffen" hätte, bleiben die Charaktere dennoch immer authentisch und nahbar. Selten wurde eine psychiatrische Krankheit so unkonventionell und dennoch lesenswert thematisiert.

Der Autor lebt mit seiner Familie selbst in Bristol und hat für diesen Roman unter anderem den renommierten Costa Book Award im Jahr 2013 erhalten.

Fazit:


Nathan Filer ist mit "Nachruf auf den Mond" der große Wurf gelungen. Eine berührende, mitreißende Geschichte über Familie und Zusammenhalt, wie stark dieser sein kann oder wie man daran (fast) zerbrechen kann, ohne dabei die Hoffnung zu verlieren.

Zuerst erschienen bei: Splashbooks

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